Sexualstrafrecht, Glaubhaftigkeit und soziale Stigmatisierung
Es gibt kaum einen Bereich von Straftaten, wie derjenige der Sexualdelikte, der geeignet ist, den Betroffenen dauerhaft sozial zu stigmatisieren und in seiner persönlichen und beruflichen Existenz zu bedrohen. (Oft erst) Nach Verfahrenseinstellungen und Freisprüchen in Sexualstrafverfahren wird so manchem bewusst, wie leicht man in einem Klima von Denunziation, Verdacht und Irrtum an den öffentlichen Pranger gezerrt werden, der bürgerlichen Existenz beraubt und der Kinder verlustig gehen kann (Friedrichsen in StV 12/2014 I). In keinem anderen Bereich treffen staatliches bzw. privates Strafverfolgungsinteresse und die Unschuldsvermutung so unerbittlich aufeinander.
Einer der Schwerpunkte meiner Tätigkeit als Strafverteidiger liegt in der Verteidigung bei Sexualstraftaten (sog. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) unter Berücksichtigung der besonderen Probleme bei der Prüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen sog. Opferzeugen ("Aussage gegen Aussage").
Gerade beim Vorwurf von Sexualstraftaten gilt es mit kühlem Kopf und vorurteilsfrei den „hochgemuten, voreiligen Griff nach der Wahrheit zu hemmen" (Alsberg). Strafverteidigung in Sexualstrafverfahren bedeutet, durch ein professionelles Verhalten die Emotionen auf ein Minimum zurückzuführen, um auch in diesem Deliktsbereich eine rationale Bewertung von Tatvorwurf bzw. Tat sowie Tatverdächtigem bzw. Täter zu ermöglichen (Endriß pp in MAH Strafverteidigung § 28 Rn. 3).
Die Strafvorschriften sehen bei Sexualstraftaten erhebliche Strafen vor. Die entscheidenden Weichenstellungen erfolgen gerade in diesen Strafverfahren sehr früh. Scheuen Sie sich daher nicht, sofort den Beistand eines entsprechend spezialisierten Strafverteidigers in Anspruch zu nehmen. Sofort heißt hier, nach Kenntnis der Einleitung von Ermittlungen (z.B. vor Vorladung zu Beschuldigtenvernehmungen pp) und insbesondere noch vor irgendeiner Aussage gegenüber den Ermittlungsbehörden oder sonstigen Dritten.
Zu den im Strafgesetzbuch (StGB) erfassten Sexualstraftaten gehören u.a.
- § 174 Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen
- § 174a Sexueller Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen
- § 174b Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung
- § 174c Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses
- § 176 Sexueller Missbrauch von Kindern (bspw. auch Anbahnung sexueller Kontakte mit Kindern im Internet, sog. "Cyber-Grooming")
- § 176a Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern
- § 177 Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung
- § 179 Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen
- § 180 Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger
- § 183 Exhibitionistische Handlungen
- § 184a Verbreitung gewalt- oder tierpornographischer Schriften
- § 184b Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften
- § 184c Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Schriften
- § 201 a Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen